Prof. Dr. Matthias Schirren
Geschichte und Theorie der Architektur III

Seminar und Übung

Der Literaturwissenschaftler und Medientheoretiker Friedrich A. Kittler (1943 – 2011) definierte Aufschreibesysteme als kontextuelle Bedingungen, innerhalb deren sich so etwas wie ein literarisches Subjekt überhaupt erst erfinden kann.

Angeschrieben (auch das ein Begriff Kittlers) werden nicht die Dinge selbst, vielmehr immer nur eine bestimmte, von vornherein formierte Sicht auf sie. Maßgeblich wird sie durch die jeweils verfügbaren Medien bestimmt.
Im Seminar wollen wir untersuchen, ob es für die Architektur vergleichbare Aufschreibesysteme gibt, worin gewissermaßen das Alphabet der Architektur besteht. Dazu diskutieren wir architektonische Elementarlehren von Vitruv über Alberti bis in Moderne und Gegenwart. Die von Rem Koolhaas kuratierte Architekturbiennale des Jahres 2014 bildet den Schlusspunkt des Seminars.

Lernziel: Die Studierenden lernen grundlegende architekturtheoretische Abhandlungen kennen und unter einer Fragestellung kritisch zu beleuchten.

Anforderungen: Übernahme eines schriftlich auszuarbeitenden Referates, Diskussionsleitung innerhalb einer der Sitzungen, Anfertigung eines Protokolls.

 

Beginn: Montag, den 15. April 2019, 09.00 Uhr
Ort: Gebäude 1, Hörsaal 160

 

 

Das „A“ der Architekten. „Aufschreibesysteme“ des Bauens

1. Sitzung, 15. April 2019
Einführung und Überblick über das Semester
Eintragung in die Listen, Vergabe der Referate

Textausgaben:
Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, (EA 1931) 2. Aufl., Berlin 1967, Auszug: S. 76 – 93

Barry Powell: „Das Alphabet in Theorie und Geschichte.“ In: Die Geburt des Vokalalphabets aus dem Geist der Poesie. Schrift, Zahl und Ton im Medienverbund. Herausgegeben von Wolfgang Ernst und Friedrich Kittler, München: Wilhelm Fink Verlag 2006, S. 15 – 33

Werner Oechslin, „Architektur und Alphabet.“ In: Carl Peter Braegger (Hrsg.): Architektur und Sprache, München: Prestel 1982 (Gedenkschrift für Richard Zürcher), S. 216 – 254.

 

22. April 2019: Ostermontag

 

2. Sitzung, 29. April 2019
Einführung in das Wissenschaftliche Arbeiten (Matthias Horstmann)

Ergänzende Literatur:
Markus Krajewski: Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek, Berlin: Kulturverlag Kadmos (Copyrights, Bd. 4) 2002.

 

6. Mai 2019: entfällt wegen Exkursion

 

3. Sitzung, 13. Mai 2019
Bibliotheksführung

 

4. Sitzung, 20. Mai 2019
Die neuzeitliche Rezeption der Euklidischen Elementarlehre

Referat(e):
Leon Battista Alberti, Traktat über die Malerei, Florenz, 1430er Jahre
Albrecht Dürer, Unterweysung der Messung […], Nürnberg 1525

Literatur: „Oskar Bätschmann, Leon Battista Alberti (1404 – 1472).“ In: Stefan Majetschak. Klassiker der Kunstphilosophie. Von Platon bis Lyotard, München: Beck, 2005 (mit weiterführender Literatur).

2 Referate

5. Sitzung, 27. Mai 2019
Architektonische Elementarlehren

Henry Wotton, Elements of Architecture, London 1624

Gottfried Semper, Die Vier Elemente der Baukunst, Braunschweig 1851

Rem Kolhaas und die Elements of Architecture (Venedig 2014)

2 Referate

 

6. Sitzung, 3. Juni 2019
Typus

Jean-Nicolas.Louis Durand, Précis des leçons d'architecture données à l'École royale polytechnique, Paris 1802/1805

Oswald Matthias Ungers, Thematisierung der Architektur (1983) insbesondere die Entwürfe für die Marburger Altstadt

2 Referate

 

10. Juni 2019: Pfingsten

 

7. Sitzung, 17. Juni 2019
Bau und Buchstabe

Johann David Steingrubers Architektonisches Alphabet von 1773
Die Schweizer Buchstabensiedlungen Benglen des Architekten Fritz Schwarz, 1980er Jahre

Robert Venturi, Learning from Las Vegas (1972) und seine Zeichnung “I am a monument”.

Literatur:

Josef Ponten, Architektur die nicht gebaut wurde, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, 1925

3 Referate

 

8. Sitzung, 24. Juni 2019
Eine „[…]sinnliche Philosophie des Raumes“. Schrift und Architektur bei Peter Behrens

Behrens Schriftentwürfe für die Schriftgießerei Klingspor, Offenbach
Die Behrens Antiqua
Exemplarische Bauinschriften Behrens‘, z.B:

a: Signets an Bauten der AEG

b: Die Inschrift Dem Deutschen Volke am Berliner Reichstag

Literatur:
Harmut Frank et al. (Hrsg.): Peter Behrens, Zeitloses und Zeitbewegtes. Aufsätze, Vorträge, Gespräche 1900 – 1938, Hamburg:

Dölling und Galitzverlag, 2015 (mit weiterführender Literatur, insbesondere zu Behrens Beschäftigung mit der Schriftkunst.

Buddensieg, Tilmann; Bohle-Heintzenberg, Sabine (Hrsg.): Industriekultur. Peter Behrens und die AEG 1907 – 1914, Berlin: Gebrüder Mann Verlag, 1979.

Fritz Hoeber: Peter Behrens, München: Georg Müller und Eugen Rentsch, 1915 (Der Kunsthistoriker Hoeber gibt weitgehend Behrens eigene Sicht wieder, und referenziert sie in der zeitgenössischen Kunstwissenschaft.

2 Referate  

 

9. Sitzung, 1. Juli 2019
Bau und Buchstabe im architektonischen Expressionismus.

Der Pavillon der Glasindustrie in Köln, 1914,
Die Briefe an die Gläserne Kette von 1919/1920
Das Buch Die Auflösung der Städte, Hagen 1920
(Das) Frühlicht 1919 – 1922 (zunächst Zeitschriftenbeilage, ab 1920 selbständige Zeitschrift).

Literatur:
Matthias Schirren: Glasfantastik. Bruno Tauts Bauhaus-Vortrag von 1920, in: Peter Bernhard (Hrsg.): Bauhausvorträge. Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919 – 1925, Berlin: Gebrüder Mann Verlag 2017, S. 107 – 115.

Derselbe: “Weltbild, Kosmos, Proportion. Der Theoretiker Bruno Taut”, in: Winfried Nerdinger/Kristiana Hartmann/Matthias Schirren/Manfred Speidel (Hg.): Bruno Taut. Architekt zwischen Tradition und Avantgarde, München/London/New York Deutsche Verlagsanstalt 2001, S. 90 – 111.

3 Referate

 

10. Sitzung, 8. Juli 2019
Der Elementarismus der Klassischen Moderne
Van Doesburgs Grundelemente der Architektur (1922)
Walter Gropius‘ Baukasten im Großen (1923) und seine Publikation Internationale Architektur (1925)
Die Funktion der Buchstaben im Konstruktivismus der 1920er Jahre.
G Zeitschrift für elementare Gestaltung, Berlin 1923/24
ABC Beiträge zum Bauen, Zürich 1924 – 1928

Literatur: Nerdinger, Winfried: Der Architekt Walter Gropius: Zeichnungen, Pläne, Fotos, Werkverzeichnis. Berlin 1985

Annemarie Jaeggi: Adolf Meyer. Der zweite Mann. Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius. Ausstellung zum 75jährigen Gründungsjubiläum des Bauhauses 1919/1994, 27. März bis 29. Mai 1994, Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, Berlin

Rainer Stommer, Von der neuen Ästhetik zur materiellen Verwirklichung. Konzepte einer Raum-Zeit-Architektur. In: Bernd Finkeldey (Hrsg.): Konstruktivistische Internationale Arbeitsgemeinschaft. 1922 – 1927. Utopien für eine europäische Kultur, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 1992, S. 136 – 146.

2 Referate.

11. Sitzung, 15. Juli 2019
Diplomprüfung

Weitere Themen (für Hausarbeiten):
Architektur und Werbung im Werk der Architekten Hans und Wassili Luckhardt
Kurt Schwitters und die Karlsruher Siedlung am Dammerstock (1929).
Peter Eisenman, Architektur Schreiben (1993)
Christopher Alexander, A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction (1979)
Victor Hugo und sein Roman Notre Dame de Paris, Paris 1831
William Morris, die Kelmscott Press und die Kunde von Nirgendwo, London 1890

Referate zu Grundlagentexten
Jeweils ein Referat zur Ferdinand de Saussure und Barry Powel oder zu Oechslin.

 

     
   
zurück